Tourismus zwischen Taiwan und China: Brücke oder Hindernis für kulturellen und politischen Dialog?

Vorabveröffentlichungen aus ASIEN 170/171 (Januar/April 2024)
Rubrik: Asien Aktuell – Kommentar
Autoren: Jörg Rodenwaldt und Alexis Stanimiroudis
digital publiziert 2025-06-30
Abstract
This article examines the complex interplay between tourism and political relations between Taiwan and China. It analyzes how tourism, often touted as a bridge for cultural understanding, has instead become entangled in the ongoing political conflict, serving as both a tool for economic influence and a reflection of deep-seated tensions. The authors trace the development of tourism flows in both directions, highlighting periods of increased exchange alongside significant setbacks due to political events and policy changes. The core argument revolves around the ambivalent nature of tourism in this context: while offering economic benefits and potential for cultural exchange, it simultaneously reinforces political divisions and serves as a means of political leverage, ultimately leaving the future of cross-strait tourism uncertain.
Keywords: Taiwan, China, tourism, cross-strait, ROC, PRC, cultural exchange, economic benefits
Einleitung
Tourismus wird oft als universeller Vermittler gepriesen – als Motor der Annäherung, der durch interkulturelle Begegnungen Verständnis und Toleranz fördert. Reisen ermöglicht es den Menschen, neue Lebensweisen zu entdecken, ungewohnte Perspektiven einzunehmen und so Vorurteile abzubauen. Gleichzeitig stellt Tourismus einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, von dem ganze Regionen profitieren. Ob in Las Vegas, Dubrovnik oder auf den Malediven – die Reisewirtschaft ist nicht nur ein integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch ein Garant für wirtschaftliche Stabilität.
Doch was passiert, wenn Reisen nicht nur von Abenteuerlust und kulturellem Interesse, sondern auch von politischen und historischen Spannungen geprägt ist? Was, wenn die Brücke, die der Tourismus zu schlagen vermag, in Wahrheit von tiefen Gräben durchzogen wird? Ein aktuelles und besonders brisantes Beispiel dafür liefert der Austausch zwischen Taiwan und der Volksrepublik China. In diesem Fall wird der Tourismus zu einem Prüfstein für die Frage, ob gegenseitige Besuche wirklich zu Verständigung führen oder ob sie vielmehr bestehende Spannungen vertiefen, wenn wirtschaftliche Interessen und politische Agenden dominieren.
Dieser Artikel setzt sich mit der Frage auseinander: Inwiefern kann Tourismus in konfliktbeladenen Beziehungen wie zwischen Taiwan und China den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern, und inwiefern wird er dabei zum Instrument politischer und wirtschaftlicher Machtspiele? Diese komplexe und spannungsgeladene Beziehung wirft also die Frage auf, ob der Tourismus in solchen Kontexten tatsächlich Brücken bauen kann – oder ob er letztlich mehr Hindernis als Lösung ist.
Entwicklung des Tourismus: Zwischen Austausch und Spannungen
Tourismus von China nach Taiwan
Der chinesische Bürgerkrieg und die Gründung der Volksrepublik China (1949) führten zu einer jahrzehntelangen Isolation zwischen China und Taiwan. Direkte Reisen waren untersagt, und Kontakte beschränkten sich auf seltene Familienbesuche über inoffizielle Kanäle. Erst in den späten 1980er Jahren, mit dem Beginn der Demokratisierung Taiwans, lockerte sich diese strikte Trennung. Taiwan erlaubte seinen Bürgern, Verwandte in China zu besuchen, was den Grundstein für erste Reiseerleichterungen und kulturellen Austausch legte.
In den 1990er Jahren kam es zu ersten direkten Charterflügen, und ab 2005 bot China Reisen in Gruppen nach Taiwan an – unter strenger Regulierung. Mit der Wahl von Ma Yingjeou (KMT) 2008 verbesserten sich die Beziehungen erheblich: Regelmäßige Linienflüge wurden eingeführt, und chinesische Touristen erhielten die Erlaubnis, Taiwan zu besuchen. Bereits im ersten Jahr reisten über 300.000 Festlandchinesen nach Taiwan. Die Besucherzahlen stiegen rasant und erreichten 2015 mit etwa 4,2 Millionen ihren Höhepunkt – fast die Hälfte aller Touristen Taiwans. Die wirtschaftlichen Vorteile waren enorm, insbesondere für Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie.
Doch die politischen Spannungen trübten den Aufschwung: Nach der Wahl von Tsai Ing-wen (DPP) 2016 und ihrer Ablehnung des „Ein-China-Prinzips“ reduzierte Beijing die Anzahl der Gruppenreisen drastisch. Die chinesischen Besucherzahlen sanken deutlich, während Taiwan versuchte, die Verluste durch verstärkte Werbung in Ländern wie Japan und Südkorea auszugleichen.
Die COVID-19-Pandemie ab 2020 brachte den internationalen Tourismus schließlich fast vollständig zum Erliegen. Taiwan empfing lediglich 1,38 Millionen Touristen, darunter weniger als 200.000 aus China. Auch nach der leichten Erholung 2021 blieben die Zahlen gering: 2023 zählte Taiwan nur 226.269 Besucher vom Festland. Trotz Ankündigungen, den Austausch zu fördern, bleibt der Tourismus aufgrund anhaltender Spannungen weit hinter den früheren Spitzenwerten zurück.
Tourismus von Taiwan nach China
Vor 1987 war es Taiwanesen aufgrund des Kriegsrechts untersagt, nach China zu reisen. Um dennoch Verbindungen aufrechtzuerhalten, nutzten viele den Umweg über Drittländer wie Hongkong oder Macau. Erst mit der Aufhebung des Reiseverbots im Jahr 1987 durften bestimmte Gruppen, darunter Veteranen und Personen mit familiären Bindungen nach China, offiziell das Festland besuchen. Bereits 1988 zählte China etwa 473.000 taiwanesische Touristen, wie Ian Rowen in seinem Buch One China, Many Taiwans beschreibt.
Ein schwerer Rückschlag für den Reiseverkehr ereignete sich 1994 mit dem Vorfall am Qiandao-See im Kreis Chun’an in der chinesischen Provinz Zhejiang, bei dem 24 taiwanesische Touristen ums Leben kamen. Diese Tragödie führte zu einem vorübergehenden Stopp von Gruppenreisen und einem Einbruch im touristischen Austausch. Dennoch erholten sich die Zahlen rasch: Bis 1999 stellten taiwanesische Besucher 9,6 Prozent aller ausländischen Ankünfte in China und sorgten für 15,6 Prozent der Tourismuseinnahmen des Landes.
Mit der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen für Freizeit- und Individualreisen wuchs die Zahl der Reisen rapide an: 1,2 Millionen im Jahr 1992, 3,7 Millionen im Jahr 2004 und nach chinesischen Angaben beeindruckende 6,1 Millionen im Jahr 2019. Interessanterweise klaffen die offiziellen Statistiken beider Seiten hier weit auseinander. Während chinesische Quellen die Zahl taiwanesischer Touristen deutlich höher ansetzen, meldete Taiwans Tourism Administration für 2019 lediglich vier Millionen Besucher. Für das Jahr 2023 vermeldete Taiwan 1,8 Millionen Reisen nach China – ein Rückgang, der sowohl durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie als auch durch anhaltende politische Spannungen bedingt ist.
Der wirtschaftliche Einfluss taiwanesischer Touristen auf China bleibt begrenzt, da sie nur einen kleinen Anteil am Gesamtbesucherstrom ausmachen. Dennoch spielt der Outbound-Tourismus von Taiwan nach Festlandchina eine vielschichtige Rolle. Wie Ian Rowen argumentiert, dient er nicht nur der Förderung wirtschaftlicher Beziehungen und des kulturellen Austauschs, sondern spiegelt auch die politischen Spannungen wider, insbesondere den andauernden Souveränitätskonflikt zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße. Eine vergleichende Studie von Larry Yu und Moo Hyung Chung betont ähnliche Dynamiken im Tourismus zwischen Taiwan und China sowie zwischen Nord- und Südkorea, wo Reisen ebenfalls eine doppelte Funktion als Brücke und Konfliktfeld erfüllen.
Tourismus als Mittel der Einflussnahme und Brücke der Verständigung
In der wissenschaftlichen Literatur wird häufig betont, dass China wirtschaftliche Instrumente, darunter den Tourismus, strategisch einsetzt, um Taiwans wirtschaftliche Abhängigkeit zu stärken und langfristig politische Kontrolle zu erlangen. Ian Rowen beschreibt in diesem Zusammenhang, wie China 2008 – zeitgleich mit einer verstärkten militärischen Präsenz nahe Taiwan – begann, Millionen chinesischer Touristen auf die Insel zu schicken. Diese Maßnahme deutet Rowen als Versuch der chinesischen Regierung, durch den Zustrom von Touristen nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen zu intensivieren, sondern auch die öffentliche Meinung in Taiwan zugunsten engerer Beziehungen mit dem Festland zu beeinflussen.
Ein zentraler Aspekt dieser Strategie ist die bewusste Instrumentalisierung des Tourismus als politisches Machtmittel, verkörpert im Slogan „Yi shang cu zheng, yi min cu guan“ („Politik durch Geschäfte machen, um die Regierung durch das Volk zu beeinflussen“). Unter dem damaligen Präsidenten Hu Jintao zielte diese Taktik darauf ab, Taiwans wirtschaftliche Abhängigkeit zu vertiefen. Dies geschah jedoch nicht isoliert, sondern begleitet von einer massiven militärischen Präsenz, die Zweifel an der friedensfördernden Absicht wirtschaftlicher Integration aufwarf.
Ein konkretes Beispiel für die politische Dimension des Tourismus war der wirtschaftliche Druck, dem die taiwanesische Stadt Kaohsiung 2009 ausgesetzt war. Nach einem Besuch des Dalai Lama und der Vorführung eines Films über einen uighurischen Führer im Exil verzeichnete Kaohsiung einen deutlichen Rückgang chinesischer Touristenzahlen – eine Reaktion Beijings auf diese als Provokation empfundenen Ereignisse. Die wirtschaftlichen Einbußen und der Druck vonseiten der Tourismusbranche führten letztlich zu einer „Goodwill-Tour“, um die Beziehungen zu China zu verbessern, sowie zu einer Kürzung der Mittel für das Filmfestival. Dieses Ereignis zeigt eindrücklich, wie China Touristenströme als Hebel nutzt, um politische Entscheidungen in Taiwan zu beeinflussen.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch Perspektiven, die den Tourismus als potenziellen Katalysator für Frieden und gegenseitige Verständigung sehen. Viele chinesische Touristen äußern während ihres Aufenthalts in Taiwan Bewunderung für die Lebensweise und Kultur ihrer Gastgeber, was durchaus dazu beitragen kann, Brücken des Verständnisses zu bauen.
Allerdings ist die Wirkung des Tourismus ambivalent. So trägt der chinesische Tourismus in Taiwan häufig dazu bei, Grenzen zwischen den beiden Entitäten zu verwischen. In den von chinesischen Touristen stark frequentierten Regionen entsteht oft das Gefühl, „in China zu sein“. Dies führt zu einer „Festlandisierung“, bei der sich lokale Strukturen, Reiserouten und narrative Strategien an den Präferenzen chinesischer Besucher orientieren. Solche Entwicklungen zeigen, wie tiefgreifend der Tourismus die Wahrnehmungen und Beziehungen zwischen Taiwan und China prägen kann – sowohl im Sinne einer Annäherung als auch einer subtilen Form der kulturellen Vereinnahmung.
Tourismus als politisches Instrument: Der Fall des Sonne-Mond-Sees und des Zhaishan-Tunnels
Der Tourismus zwischen Taiwan und China ist nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein bedeutendes politisches Werkzeug, das Identität, territoriale Zugehörigkeit und nationale Souveränität in den Vordergrund rückt. Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür ist der Sonne-Mond-See, eine der bekanntesten touristischen Attraktionen in Taiwan. Der Sonne-Mond-See ist für chinesische Touristen oft ein Ziel, das ihnen das Gefühl vermittelt, in einer vertrauten Umgebung zu sein – fast wie „zu Hause“. Doch die hohe Zahl chinesischer Besucher hat bei einigen Taiwanesen das Gefühl hervorgerufen, dass sich die Gegend aufgrund der Anwesenheit vieler chinesischer Touristen wie Festlandchina anfühlt. Dies führt zu einer Entfremdung, bei der sich manche Taiwanesen von einem ehemals rein taiwanesischen Reiseziel distanziert fühlen.
Die Struktur der Tourismusbranche am Sonne-Mond-See weist starke Ähnlichkeiten mit den Praktiken des chinesischen Inlandstourismus auf. Dies geht aus den Forschungsergebnissen von Ian Rowen in seiner Studie One China, Many Taiwans (2014) hervor. Dies, kombiniert mit Chinas territorialen Ansprüchen auf Taiwan, trägt bei einigen chinesischen Touristen dazu bei, dass sie die Insel als Teil der Volksrepublik China wahrnehmen. Diese Wahrnehmung wird durch das Vorhandensein von Bildern des Sonne-Mond-Sees in den Reisepässen der Volksrepublik China verstärkt. Außerdem hat die taiwanesische Tourismusbranche in Zusammenarbeit mit chinesischen Reiseveranstaltern ein Modell übernommen, das dem Inlandstourismus in China ähnelt, etwa durch Gruppenreisen und vorab organisierte Reiserouten. Rowen zufolge begann die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen taiwanesischen Anbietern und chinesischen Reiseveranstaltern erst ab 2010; eine vergleichbare Kooperation in dieser Form hatte es zuvor nicht gegeben. Auch wenn die Reiseleiter oft versuchen, politische Themen zu vermeiden, können ihre Erzählungen zur Entstehung unterschiedlicher Vorstellungen von Staatlichkeit führen.
Ein weiteres Beispiel für die komplexe Verknüpfung von Tourismus und politischen Fragen finden Chih Yuan Woon und JJ Zhang in ihrer Studie, in der sie die Nutzung ehemaliger militärischer Infrastrukturen in Taiwan, wie des Zhaishan-Tunnels auf der Insel Kinmen, untersuchen. In einem Versuch, friedliche Begegnungen zwischen chinesischen und taiwanesischen Touristen zu fördern, wurden diese militärischen Relikte gezielt als touristische Attraktionen umgestaltet. Der Zhaishan-Tunnel wurde von verschiedenen taiwanesischen Tourismusbehörden und Akteuren zu einem symbolischen Ort gemacht, der eine „affektive Atmosphäre“ erzeugt – ein „stimmungsvolles Kraftfeld“, das den Besuchern eine Plattform für den Austausch über historische und kulturelle Unterschiede bietet. Diese Transformation zeigt, wie Tourismus als ein strategisches Mittel für die Identitätsbildung genutzt wird, um die Beziehungen zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße zu gestalten und möglicherweise zu deeskalieren, während gleichzeitig die politischen Dimensionen der historischen Spannungen berücksichtigt werden.
Der Tourismus am Sonne-Mond-See und im Zhaishan-Tunnel verdeutlicht, wie stark Tourismus mit Identitätsfragen, territorialen Ansprüchen und nationaler Politik verbunden ist. Beide Beispiele zeigen, dass der Tourismus nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung hat, sondern auch eine tiefgreifende Rolle bei der Wahrnehmung von Zugehörigkeit und Souveränität spielt. Während der chinesische Tourismus wirtschaftliche Vorteile für Taiwan gebracht hat, führt er gleichzeitig zu komplexen politischen und kulturellen Diskussionen über die Zugehörigkeit und das Verständnis von „Staatlichkeit“ zwischen den beiden Seiten.
Fazit: Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
Der Tourismus zwischen Taiwan und China steht somit in einem komplexen Spannungsfeld von politischem Einfluss, wirtschaftlichen Interessen und kultureller Identität. Viele Taiwanesen empfinden sich aufgrund des Zustroms chinesischer Touristen und der damit verbundenen Veränderungen in ihrem alltäglichen Leben zunehmend entfremdet. Trotz der sichtbaren Präsenz von chinesischen Symbolen und Währungen an beliebten touristischen Orten ist es wichtig, diese Elemente nicht als Anzeichen einer potenziellen Assimilation zu missverstehen. Vielmehr spiegeln sie die wachsende Komplexität wider, die der Tourismus in einem politisch hochgeladenen Kontext mit sich bringt.
Meinungsumfragen verdeutlichen eine gespaltene Haltung gegenüber dem chinesischen Tourismus, wobei die Befürchtungen hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen häufig stärker ausgeprägt sind als die wahrgenommenen wirtschaftlichen Vorteile. Innerhalb der taiwanesischen Reisebranche bestehen zudem Sorgen über die Struktur des Tourismussektors, etwa in Bezug auf unfaire Wettbewerbsbedingungen, verspätete Zahlungen und Kostendruck, der die Nachhaltigkeit der Branche gefährdet.
Chinas Nutzung des Tourismus als politisches Werkzeug könnte sich als kontraproduktiv erweisen. Anstatt eine stärkere wirtschaftliche Integration zu fördern, verstärkt die politische Dimension des Tourismus möglicherweise den Widerstand in Taiwan gegen eine Wiedervereinigung. Diese Entwicklung stellt das Potenzial des Tourismus infrage, als Brücke zwischen den beiden Seiten zu fungieren. Im Gegenteil, die politische und militärische Aufrüstung Chinas gegenüber Taiwan lässt die Vorstellung, dass Tourismus allein zu friedlichen Beziehungen führen könnte, fragwürdig erscheinen.
Die politischen Spannungen beeinflussen den Tourismussektor erheblich, was sich in schwankenden Reisebestimmungen und plötzlichen Reisebeschränkungen zeigt, die oftmals als Reaktion auf geopolitische Entwicklungen eingeführt werden. Diese Unsicherheit führt zu einem Teufelskreis, in dem der Tourismus zwar ein Wirtschaftsfaktor ist, jedoch auch zur weiteren Polarisierung und zum Drang nach nationaler Selbstbestimmung beiträgt.
Der Tourismus zwischen Taiwan und China erweist sich als zweischneidiges Schwert: Einerseits bietet er Potenziale für kulturellen Austausch und wirtschaftliche Zusammenarbeit, andererseits verschärft er häufig bestehende Spannungen und Konflikte. Die ungleichen wirtschaftlichen Vorteile sowie die Ausbeutung innerhalb der Branche werfen dabei Fragen zur langfristigen Nachhaltigkeit auf. Während große Reiseunternehmen und bestimmte Regionen überproportional profitieren, gehen kleinere Unternehmen und abgelegene Gebiete oft leer aus. Hinzu kommt, dass die Reiseleiter ihre Arbeitskraft zunehmend politischen und wirtschaftlichen Interessen unterordnen müssen, was häufig ausbeuterische Züge trägt. Die Fokussierung auf kostengünstige Massenreisen verstärkt den Druck auf lokale Ressourcen, fördert soziale Spannungen und untergräbt so die Basis für eine gerechte und nachhaltige Tourismuswirtschaft.
Die Zukunft des Tourismus zwischen Taiwan und China bleibt angesichts der andauernden politischen Spannungen und geopolitischen Unsicherheiten ungewiss. Auch wenn es Bemühungen gibt, den Sektor zu revitalisieren, wird die politische Lage maßgeblich darüber entscheiden, ob der Tourismus in Zukunft tatsächlich als Instrument des Dialogs und der Verständigung oder weiterhin als Mittel politischer und wirtschaftlicher Machtspiele fungieren wird.
Literatur
Farmaki, Anna (2017): „The Tourism and Peace Nexus.“, in: Tourism Management 59: 528–540.
National Bureau of Statistics of China. National Data. https://data.stats.gov.cn.
Rowen, Ian (2014): „Tourism as a Territorial Strategy: The Case of China and Taiwan.“ Annals of Tourism Research 46: 62–74.
Rowen, Ian (2022): One China, Many Taiwans: The Geopolitics of Cross-Strait Tourism. Ithaca und London: Cornell University Press.
Tourism Administration, Ministry of Transportation and Communications (MOTC). Tourism Statistics Database. https://stat.taiwan.net.tw.
Woon, Chih Yuan, und J. J. Zhang (2021): „Subterranean Geopolitics, Affective Atmosphere and Peace: Negotiating China-Taiwan Relations in the Zhaishan Tunnel.“, in: Geoforum 127: 390–400.
Yu, Larry, und Moo Hyung Chung (2001): „Tourism as Catalytic Force for Low-Politics Activities between Politically Divided Countries: The Cases of South/North Korea and Taiwan/China.“, in: New Political Science 23 (4): 537–545.
Jörg Rodenwaldt received his doctorate in economics from the Free University of Berlin. After completing his studies with a regional specialization in Asia, he worked as a visiting researcher at the Social Science Institute of the University of Tokyo and then at the East Asian Seminar of the Free University. He later worked in finance and for many more years in the Asia-Pacific region for major German companies before setting up his own business as a consultant, lecturer and author. Rodenwaldt, who wrote his master’s thesis on the evolutionary-associative development of Taiwan, is currently working on the topic of Taiwan again.
Alexis Stanimiroudis studied Law and Area Studies with a focus on China at universities in Göttingen, Berlin, and Hangzhou. During a year-long academic exchange at Zhejiang University in the People’s Republic of China, he not only advanced his Mandarin skills to an advanced level in both spoken and written language but also gained intercultural competencies. His thesis focused on the platform economy in China’s livestreaming industry, offering an in-depth analysis of host strategies for audience engagement and their relationships with platforms, framed within a Marxist theoretical perspective. Alongside his academic pursuits, he gained professional experience in merchandising and consulting at the agency move:elevator. He currently resides in Berlin.